Der Ruf des Kuckucks by Robert Galbraith

Der Ruf des Kuckucks by Robert Galbraith

Autor:Robert Galbraith [Galbraith, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-11-27T23:00:00+00:00


9

An der Kreuzung Tottenham Court Road und Charing Cross Road sah es immer noch aus wie auf einem Trümmerfeld: aufgerissene Straßen, Fußgängertunnel aus Sperrholz und behelmte Bauarbeiter. Strike lief die schmalen, von hohen Metallzäunen gesäumten Fußwege entlang, vorbei an grummelnden Baggern voller Schutt, polternden Arbeitern und ratternden Presslufthämmern, und zog ab und zu an seiner Zigarette.

Er war müde und ausgelaugt; bei jeder Bewegung spürte er sein schmerzendes Bein, den Nachtschweiß, den er sich nicht hatte abwaschen können, und das fettige, schwere Essen in seinem Magen. Aus einem Impuls heraus bog er rechts ab in die Sutton Row, weg von dem Klappern und Rumoren der Bauarbeiten, und wählte Rochelles Nummer. Er landete auf der Mailbox, aber immerhin antwortete ihm ihre rauchige Stimme; sie hatte ihm die richtige Nummer gegeben.

Er hinterließ keine Nachricht; er hatte längst alles gesagt, was er zu sagen hatte. Aber er machte sich trotzdem Sorgen. Insgeheim wünschte er sich, er wäre ihr heimlich gefolgt, um herauszufinden, wo sie wohnte.

Er kehrte auf die Charing Cross Road zurück, wo er durch den Schatten eines provisorischen Fußgängertunnels in Richtung seines Büros humpelte und darüber nachsann, wie Robin ihn am Morgen geweckt hatte: mit einem taktvollen Klopfen, einer Tasse Tee und ohne auch nur ein Wort über die Campingliege zu verlieren. Auf gar keinen Fall hätte er es dazu kommen lassen dürfen. Vertrautheit entstand nicht nur, indem man eine Frau in einem hautengen Kleid angaffte. Er wollte ihr nicht erklären müssen, warum er in seinem Büro schlief; er fürchtete persönliche Fragen. Und er war durch eigene Schuld in eine Situation geraten, in der sie ihn mit seinem Vornamen angesprochen und ihn ermahnt hatte, sein Hemd richtig zuzuknöpfen. Er hätte auf gar keinen Fall verschlafen dürfen.

Während Strike an der verschlossenen Tür des Grafikbüros vorbei die Eisentreppe hinaufstieg, beschloss er, zum Ausgleich für den Blick auf seinen behaarten Bauch für den Rest des Tages ein wenig kühler und autoritärer aufzutreten.

Kaum hatte er den Entschluss gefasst, da hörte er ein hohes Lachen und zwei durcheinanderplappernde Frauenstimmen aus seinem Büro.

Strike erstarrte. Lauschte erschrocken. Er hatte Charlotte nicht zurückgerufen. Er versuchte, den Tonfall und die Stimmlage auszumachen; es sähe ihr ähnlich, persönlich vorbeizukommen und seine Interimssekretärin mit ihrem Charme zu umgarnen, um mit seiner Verbündeten Freundschaft zu schließen und seiner Belegschaft ihre höchsteigene Version der Wahrheit einzuimpfen.

Die beiden Stimmen brachen wieder in Gelächter aus, ohne dass er hätte erkennen können, wem sie gehörten.

»Hi, Stick«, rief eine fröhliche Stimme, als er die Glastür aufdrückte.

Seine Schwester Lucy saß auf dem abgewetzten Sofa, einen Kaffeebecher in den Händen und von Einkaufstüten umgeben.

Strikes erste Erleichterung, dass es nicht Charlotte war, wich sofort neuen Bedenken: Worüber hatten die beiden wohl gesprochen? Und wie viel wussten sie inzwischen jeweils über sein Privatleben? Während er Lucy umarmte, bemerkte er, dass Robin die Tür zum Büro mit seiner Campingliege und der Sporttasche zugezogen hatte.

»Robin hat gesagt, du wärst beim Ermitteln.« Lucy wirkte ausgelassen, wie so oft, wenn sie allein, ohne Greg oder ihre Jungen im Schlepptau, unterwegs war.

»Ja, das tun Ermittler bisweilen«, sagte Strike. »Und du warst shoppen?«

»Scharf beobachtet, Sherlock.



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